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Zurück Dauerzocker

Frage:

Meine Söhne (8 und 12 Jahre) verbringen ihre gesamte Freizeit mit Fernsehen, Handy, Playstation. Seit Corona ist das noch schlimmer geworden. Wegen der eingeschränkten Möglichkeiten während der Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen habe ich das Dauergezocke tatsächlich auch vorübergehend toleriert, zumal ich selber berufstätig bin und meine Kinder nicht rund um die Uhr bespaßen kann. Nun habe ich den Eindruck, der Medienkonsum ist zum Selbstläufer geworden. Wenn sie am Wochenende beim Vater sind, dürfen sie ohnehin fernsehen und zocken so viel sie wollen. Ich sorge mich um ihre Gesundheit und ihren Schulerfolg, fühle mich aber weitgehend machtlos. Wie kann ich die Jungs wieder in Bewegung bringen und auch den Vater ins Boot holen?

 

Das Team der Beratungsstelle antwortet:

Während der Ausgangsbeschränkungen wurden Handys, PCs und Playstations nachweislich exzessiver genutzt (für weitere Informationen z. B. www.klicksafe.de; www.dak.de). Für viele waren diese Medien auch ein Segen, um der völligen Einsamkeit zu entgehen. Besser man zockt virtuell mit Freunden oder chattet mit ihnen als ganz in Traurigkeit zu versinken… Nun aber hat ein neues Schuljahr begonnen. Die Schulen sind angehalten, wieder mehr Struktur in den Tagesablauf ihrer Schüler zu bringen. Egal ob im Präsenzunterricht oder unter Umständen wieder online: Der Stundenplan und der tägliche Schulbeginn sollen wieder verpflichtend sein - ob persönlich, per Videokonferenz oder telefonisch. Seien Sie ruhig offen mit Ihren Kindern: außergewöhnliche Zeiten wie die Corona-Epidemie erfordern außergewöhnliche Umstellungen und Maßnahmen. Vorübergehend war vermehrtes Zocken, Abhängen in Ordnung, jetzt passen wir uns zunehmend besser an die Umstände an, damit hat auch wieder der normale Alltag seinen Platz bekommen. Das ist einfacher gesagt, als getan?

Wie wäre es, wenn Sie damit beginnen würden, die Jungs in „ihrer Welt" abzuholen? Damit meinen wir, Interesse an ihren Spielen zu zeigen, mal mitzuzocken. Falls es Ihnen sogar ein bisschen Spaß machen sollte: Kein Problem! Zeigen Sie das ruhig und hören Sie sich an, was Ihre Kinder daran so fasziniert. Wenn es Ihnen nicht gefällt: seien Sie gerne ehrlich, aber konkret, etwa „Bei diesem Spiel stehe ich ständig unter Zeitdruck, das macht mich total nervös…", respektieren Sie aber, wenn Ihre Kinder das anders sehen, vielleicht sogar genau das spannend finden, was Sie daran stresst. Sehen Sie wenigstens ab und zu mal die Lieblingsfernsehsendungen Ihrer Kinder mit an, machen Sie es sich dabei gemütlich (Getränke, Knabbereien) und kommen Sie hinterher mit Ihrem Kind ins Gespräch, ohne ihm eine „bessere" elterliche Meinung aufzwingen zu wollen. Offene Fragen helfen dabei: „Was hältst Du davon wie XY in der Sendung gehandelt hat?" „Was hat Dich an der Stelle so zum Lachen gebracht?" „Ich frage mich: wie hätte wohl X reagiert, wenn Y statt wie in der Sendung ganz anders gehandelt hätte?" Wenn ihr Kind darauf eingeht, nehmen Sie es ernst und entwerten seine Äußerungen nicht, auch wenn Sie selber anderer Meinung sind. Viel wertvoller ist, dass ein Dialog entsteht – je öfter desto besser und mit der Zeit wird eine Entwicklung erkennbar. Ihr Kind lernt, sich ein eigenes zunehmend fundiertes Urteil zu bilden.

Ob bei Fernsehen, Handy oder Playstation: Wenn Ihre Kinder spüren, dass es Ihnen nicht um einen Machtkampf im Sinne von: „Wenn in einer viertel Stunde nicht Schluss ist, ziehe ich den Stecker!" geht, haben solche Gespräche gute Chancen. Manchmal erleben Eltern dabei sogar völlig unerwartete Offenheit: „Nach vier Stunden zocken hab ich Kopfweh" oder „Ich würde ja gerne mehr anderes machen, aber ich weiß nicht was". Lassen Sie Ihr Kind Ideen entwickeln, regen Sie es lieber durch weiterfragen an, statt selber Vorschläge zu machen, etwa: „Lass uns mal gemeinsam überlegen, was haben wir denn schon lange nicht mehr gemacht, obwohl es uns früher viel Spaß gemacht hat?", „Was haben wir uns schon lange mal vorgenommen, aber noch nie ausprobiert?" Sie könnten gemeinsam wie in einem Brainstorming ohne Zensur eine Liste interessanter, verrückter oder auch unsinniger Dinge erstellen, die man mal machen könnte – aber nicht muss! Ausgewählt und eventuell modifiziert wird erst hinterher und auch dabei sollten Sie getrost den Kindern das Vorrecht lassen, sich als erste zu äußern. Allein das Ideensammeln wäre schon mal eine Abweichung vom Üblichen. Wenn dann von einer langen Liste ein, zwei Dinge tatsächlich ausprobiert werden – umso besser. Die interessantesten Einfälle könnten Sie gleich gemeinsam für freie Zeiten einplanen und schon gibt es automatisch Tage, an denen weniger gezockt wird. Vielleicht ist es dann umgekehrt auch mal in Ordnung, wenn es zwischendurch einen Tag geben darf, an dem die Kinder zocken dürfen, so lange sie wollen?

Was den Vater Ihrer Kinder betrifft, den Sie ja ins Boot holen wollen:

Was macht Sie so sicher, dass sich die Kinder beim Vater völlig gehen lassen dürfen? Wie würde er sich äußern, wenn er zu den Themen Gesundheit und Schulerfolg gefragt würde? Was würde er sagen, was ihm bezüglich der gemeinsamen Kinder besonders wichtig ist oder womöglich Sorgen macht? Sie haben ja offenbar schon die Hoffnung, dass eine Verständigung möglich ist und Sie gemeinsam besser im Sinne Ihrer Kinder handeln könnten. Vielleicht ist es zumindest einen Versuch wert. Es gibt keine Garantie, aber Sie können Ihre Erfolgschancen erhöhen. Möglicherweise geht es Ihnen wie vielen anderen Eltern ob getrennt oder nicht – es kommt in gemeinsamen Gesprächen sehr schnell und häufig zu negativen Pauschalurteilen, zum Beispiel „Du bist verantwortungslos", „Dir ist doch eh alles egal" oder so ähnlich. Damit beginnt oft eine Spirale an wechselseitigen Vorwürfen, jeder fühlt sich unverstanden und verletzt und es kommt am Ende kein brauchbares Ergebnis zustande. Versuchen Sie es doch mal bewusst andersherum, zum Beispiel mit der positiven Grundannahme dem anderen Elternteil würden die Kinder genauso am Herzen liegen wie Ihnen. Oder: Er liebt seine Kinder und will ihr Bestes. Sollten Sie davon tatsächlich nicht so überzeugt sein, könnten Sie einen Trick versuchen: tun Sie so als ob es so wäre - zumindest für das nächste anstehende Gespräch. Sinn dieser Übung ist nicht, sich selbst oder den anderen zu verändern, sondern dem Gespräch die Chance zu geben, eine andere Wendung zu nehmen als viele andere womöglich erfolglose und frustrierende Versuche zuvor. Sie haben damit von Ihrer Seite zumindest Einfluss auf Ihre Haltung und den Grundtenor im Elterngespräch.