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Zurück Geschwisterkämpfe

Frage:

Unsere Tochter (4 ½ Jahre) und unser Sohn (6 Jahre, Vorschulkind) geraten fast täglich in Streit – nicht selten auch mehrmals am Tag. Sie nehmen sich Spielsachen weg, schreien sich an, schubsen, treten und reißen sich an den Haaren. Dabei kommt es mitunter auch mal zu Verletzungen, die zum Glück bislang nicht gravierend waren. Meist zieht die Kleine den Kürzeren. Häufig endet es damit, dass sie weint und wir den Großen schimpfen müssen, der sich dann ungerecht behandelt fühlt. Nicht selten beobachten wir, dass er sie gezielt ärgert und provoziert. Als Eltern sind wir da oft hin- und hergerissen: Eingreifen oder die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen lassen – was halten Sie für richtig?

 

Das Team der Beratungsstelle antwortet:

Was Sie da beschreiben setzt Eltern sehr häufig unter enormen Druck. Wie geht es Ihnen damit? Geschwisterstreitigkeiten – manchmal scheinbar wie aus heiterem Himmel – können gewaltig an den Nerven zerren, vor allem wenn eigene Ängste und Unsicherheiten im Umgang damit hinzu kommen.

Dass Ihre Kinder streiten – auch täglich – ist nicht zu verhindern. Aber vielleicht können wir Ihnen das eine oder andere mit an die Hand geben, das Sie von damit verbundenen Sorgen entlastet und Ihnen den Umgang mit Streitereien im Kinderzimmer erleichtert.

Zunächst einmal lässt sich festhalten: Streit muss sein. Verbale und durchaus auch körperliche Rangeleien sind für Kinder Möglichkeiten Ärger und Wut zum Ausdruck zu bringen. Würde man versuchen, dieses Verhalten um jeden Preis zu unterbinden, käme es über kurz oder lang dazu, dass aufgestaute Aggressionen auf verdeckten Wegen wieder zum Vorschein kommen – zum Beispiel man rächt sich heimlich am Geschwisterkind oder richtet die Wut gegen sich selbst. Auch eruptionsartige Wutausbrüche aus geringfügigem Anlass werden dann wahrscheinlicher.

Auseinandersetzungen mit Spielkameraden sind ein wesentliches soziales Lernfeld – einerseits. Kinder erfahren so, wie ihr Verhalten bei anderen ankommt und dass gleiche Verhaltensweisen bei unterschiedlichen Personen zu völlig verschiedenen Reaktionen führen können. Sie lernen ihre Grenzen zu verteidigen und erfahren mitunter schmerzlich, wann und womit sie die Grenzen anderer verletzen.

Andererseits: völlig sich selbst überlassen entwickeln Kinder keineswegs automatisch konstruktive Konfliktlösungsmuster. Es können sich durchaus problematische Verhaltensweisen etablieren, die auf Dauer zu Leid führen.  Hier ein paar Beispiele für mögliche Warnsignale: der/die Stärkere setzt sich stets mit Körperkraft durch, die Kinder wirken zunehmend unglücklich oder Rangeleien nehmen gewalttätige Formen an. Was brauchen Kinder von den Erwachsenen in solchen Situationen? Fast alle Eltern, Erzieher, Lehrer haben schon erlebt, wie hilf- und ratlos man dabei sein kann. Daraus ergeben sich manchmal wenig hilfreiche Aufforderungen wie „Seid lieb zueinander" oder man lässt sich von der aufgeladenen Stimmung anstecken und brüllt unkontrolliert dazwischen.

Sie schreiben, Ihr Sohn fühlt sich oft ungerecht behandelt. Kann es sein,

dass er Sie des Öfteren in der Schiedsrichterrolle erlebt? Auf welche Weise versuchen Sie zu schlichten und mit welchem Ziel? Wenn Sie Ihre Kinder unterstützen wollen geht es nicht darum herauszufinden, wer „Schuld" hat. Vielmehr ist entscheidend, blockierte Kommunikationskanäle zu öffnen. Die Aufgabe ist geduldiges, nicht wertendes Zuhören auf beiden Seiten, Emotionen zuzulassen und in ihrer Intensität zu spiegeln („da bist du richtig stinkesauer geworden, oder?"), Denkanstöße geben („was meinst du, wie ging es deiner Schwester, deinem Bruder, als du das und das gemacht oder gesagt hast?") und auch viel Platz für eigene Lösungsideen der Kinder geben. Zugegeben: diese Aufgabe ist ganz schön anspruchsvoll, erfordert für die meisten Erwachsenen ein gewisses Umdenken, denn auch wir heute Erwachsenen haben in unserer Kindheit sicherlich nicht durchgehend konstruktives Schlichtverhalten erlebt. Zudem kostet dieses Vorgehen wesentlich mehr Geduld und Zeit als ein simpler Appell, ein „Machtwort" zu sprechen oder eine Strafe zu verhängen. Und dennoch: die Erfahrung damit zeigt immer wieder, dass es sich langfristig lohnt, Kindern auf diese Weise in ihren Konflikten immer wieder beizustehen.

Eine wichtige Botschaft an Ihre Kinder ist alle Gefühle sind erlaubt (Wut, Ärger, Eifersucht,…) nicht aber jedes Verhalten! Ausgehend von diesem Grundsatz können Sie mit Ihrer Familie wenige aber klare Regeln aufstellen, die im Streitfall den Kindern altersgemäß Orientierung und Sicherheit bieten. Zum Beispiel könnten Haare reißen, treten, mit Gegenständen zuschlagen als Tabus definiert werden, die klar definierte Konsequenzen nach sich ziehen: eine Auszeit oder eine Wiedergutmachung etwa.

Und wenn es doch mal nicht so klappt: Das ist völlig normal. Nicht jeder Streit muss von Ihnen professionell gelöst werden, immer mal wieder dürfte in der Regel genügen. Seien Sie dabei auch nachsichtig und geduldig mit sich selbst!