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Zurück Unterschiedliche Erziehungseinstellungen

Frage:

Mein Mann und ich haben sehr unterschiedliche Einstellungen was liebevolle Erziehung und Konsequenz betrifft. Sein Verhalten gegenüber den Kindern (zwei Jungs mit 5 und 3 Jahren und ein Mädchen mit 1 ½ Jahren), besonders gegenüber den beiden Großen, kommt mir oft viel zu streng vor: er schimpft schon bei Kleinigkeiten, wird schnell laut, es hat auch schon mal einen Klaps auf den Po gegeben. Mir dagegen wirft er vor, zu inkonsequent zu sein und die Kinder zu „verziehen". Seiner Meinung nach liegt es an mir, wenn sie ständig an meinem Rockzipfel hängen und sofort weinend zu mir kommen, wenn er schimpft. Aber ich tröste sie dann halt, weil ich seine Reaktion oft überzogen finde. Wie können wir zu mehr Einigkeit finden?

 

Das Team der Beratungsstelle antwortet:

Ihre Frage hat unser Team sofort zu einer lebhaften Diskussion angeregt. Auch wir haben uns darin in der einen oder anderen Form auf einer sehr menschlichen Ebene wiedererkannt. Einerseits dieser tiefe Wunsch nach einem Gefühl der Verbundenheit, nach Einigkeit mit dem Partner, vielleicht auch der Gedanke „gemeinsam wären wir stärker…". Auf der anderen Seite die Einzigartigkeit jedes Partners, die zu unterschiedlichen Blickwinkeln auf Alltagsfragen und damit auch zu verschiedenen Umgangsweisen damit führt. Keiner will sich verbiegen lassen, jeder ist sich sicher, mit seinem Ansatz einen wesentlichen Beitrag für die gesunde Entwicklung der Kinder zu leisten. Könnte das so ähnlich auf Sie zutreffen?

Es ist zunächst mal nichts dagegen einzuwenden, wenn wir Menschen verschiedene Vorstellungen vom täglichen Miteinander haben. Das ist vielmehr natürlich und zu erwarten, wenn zwei Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsfamilien mit ihren je eigenen Wertesystemen aufeinandertreffen und eine Familie gründen. Problematisch wird es, wenn Sie an diesem Punkt in gegenseitiger Sprach- und Verständnislosigkeit verharren – denn in diesem Fall droht eine Verhärtung der Positionen. Jeder bekommt das Gefühl, seine Werte – in diesem Fall: Erziehungsgrundsätze - vehement gegen den anderen verteidigen zu müssen, der diese vermeintlich nicht versteht. Daraus resultiert häufig eine Polarisierung, in der zum Beispiel der eine noch strenger wird, als ihm eigentlich lieb ist und der andere umso nachgiebiger, um die als übertrieben empfundene Härte wieder auszugleichen. Wie werden Sie beide als Eltern wohl durch die Kinderaugen wahrgenommen? Zu Ihrer Beschreibung könnte das Bild passen: bei Gefahr suchen die Küken Schutz unter den Fittichen der Mutter. Ihre Kinder erleben in diesen Situationen zwei Extreme: der „böse, gefährliche" vs. der „gute, schützende" Elternteil. Ihr Impuls, die weinenden Kinder zu trösten, ist dennoch richtig. Würden Sie sie wegschicken, kämen sie sich völlig verlassen vor. Das natürliche Bindungsverhalten der Kinder: wenn ich traurig bin oder mir weh getan habe, suche ich emotionale Unterstützung bei einer wichtigen Bindungsperson, und damit Ihre Beziehung zu den Kindern, würde sonst empfindlich gestört. Wesentlich ist aber hier, den anderen Elternteil dabei nicht abzuwerten. Es geht vielmehr darum, die momentanen Gefühle der Kinder ernst zu nehmen, etwa wenn sie traurig sind, erschrocken oder enttäuscht und diese auch zu benennen, zum Beispiel: „du hattest dich auf ein Eis gefreut und jetzt bist du enttäuscht…?" Darin liegt noch keine Bewertung, ob der andere Elternteil jetzt zu Recht oder Unrecht das Eis verweigert hat. Vielmehr helfen Sie Ihrem Kind, sein vorherrschendes Gefühl besser zu verarbeiten. Es ist in dieser Situation nicht Ihre Aufgabe, den Konflikt, den Ihr Kind mit dem anderen Elternteil hat, aufzulösen. Das dürfen Sie weiter getrost dem Partner überlassen. Zugegeben: im Alltag mag das oft eine Gratwanderung sein, denn wie leicht rutscht einem ein „das war aber gar nicht richtig vom Papa…" oder ein „jetzt kauf ich dir halt das Eis, das die Mama verboten hat…" heraus.

Und wie kommen Sie nun als Paar wieder in ein gutes Gespräch? Um eine Situation wie die obige wirklich reflektieren zu können, braucht es entspannte gemeinsame Zeit ohne Kinder. Gibt es die noch in Ihrem Alltag? Sie sollten eine Situation nutzen, in der Sie gerade einen liebevollen Blick auf den Partner haben und damit auch wertschätzen können, was alles gut läuft. Fällt Ihnen etwas ein? Zum Beispiel, als er und die Kinder zuletzt viel Spaß miteinander hatten oder als Sie sich durch sein Handeln entlastet gefühlt haben. Wichtig ist dabei, auf konkrete Situationen einzugehen, die Sie genau beschreiben können. Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Etwa: „Ich habe mich riesig gefreut, euch so fröhlich rumtoben zu sehen". Viel zu oft stürzen wir uns gleich auf die kritischen Punkte und nehmen die wertvollen gelungenen Momente als selbstverständlich hin. Dabei ist so eine Rückmeldung, wenn Paare sie sich immer wieder wechselseitig geben, unglaublich wohltuend und motiviert ganz automatisch zu mehr vom Guten! Häufig reicht das schon, um zu einem besseren gemeinsamen Miteinander zu kommen und unnötige Kritik würde nur entwerten.

Was aber, wenn es nötig ist, kritische Punkte dem Partner gegenüber anzusprechen, zum Beispiel, weil Sie „Klapse auf den Po" (zu Recht!) nicht akzeptieren wollen? Entscheidend ist, dass Sie zunächst die Situation aus den Augen des anderen reflektieren. Wie mag er sich gefühlt haben, als die Kinder vor ihm wegliefen, um bei Ihnen Schutz zu suchen? Hilflos? Ausgeschlossen? Als ob er versagt hätte? Vielleicht schuldig, traurig oder selber erschrocken über seinen „Ausbruch"? Teilen Sie ihm Ihre Vermutung mit, zum Beispiel so: „Ich glaube, das war für Dich auch eine schwierige Situation. Ich könnte mir vorstellen, dass Du Dich da … gefühlt hast, stimmt das?" Bleiben Sie ruhig eine Weile dabei, die Situation mit ihm zusammen aus seiner Perspektive zu reflektieren. Sie zeigen ihm damit, dass er Ihnen wichtig ist und dass Sie ihn verstehen möchten. Das sind gute Voraussetzungen, damit Sie beide entspannt und wohlwollend bleiben können. Wenn es gut läuft, bekommt auch der Partner ein offeneres Ohr dafür, wie es Ihnen in der fraglichen Situation erging. Damit ist der Weg frei für gemeinsame Lösungsideen: was ist an Ihrer jeweiligen Haltung Positives? Könnten Sie als Eltern Ihre Stärken sinnvoll miteinander verbinden und Ihre Schwächen ausgleichen, so dass Ihre Verschiedenheit zur Bereicherung auch für Ihre Kinder wird? Und schließlich kann dann auch ganz klar besprochen werden: Gewalt in der Erziehung geht natürlich gar nicht! Dafür brauchen Sie in jedem Fall einen besseren gemeinsamen Weg.